Oma Anna
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Oma Mielsch war eigentlich gar nicht unsere leibliche Oma - sie hat Opa geheiratet, nachdem seine erste Frau gestorben war.

Sie praktizierte daher auch bis zum Schluss als Ärztin unter "Dr. Anna Mielsch-Witte".

Für uns war sie aber immer eine fürsorgliche Mutter und Großmutter.

Oma Anna *26.03.1914 +23.09.2007

Geboren wurde sie 26. März 1914, gestorben nach langem Koma am 23. September 2007. Die Beerdigung fand am 28. September 2007 auf dem Nordfriedhof statt.

Sie hatte Opa und seine vorherige Frau im freideutschen Kreis kennengelernt. Darüber ist nicht viel bekannt. Im Jahre 1981 haben wir sie überredet, doch mal wenigstens etwas über Erinnerungen an die Nazi-Zeit aufzuschreiben, aber auch da ist nicht viel entstanden:

April 1981

Bericht über persönliche Erlebnisse mit dem Nationalsozialismus.

Auf mehrfaches Ersuchen von Mitarbeitern beim Archiv der Jugendbewegung, als ehemalige Angehörige der Jugendbewegung über meine Begegnung mit dem Nationalsozialismus zu berichten, will ich dies versuchen, obgleich ich meine, daß man daraus keine allgemeinen Schlußfolgerungen ziehen kann in Bezug auf "die Jugendbewegung", weil meine Einstellung und mein Verhalten in der damaligen Zeit mit meinem ganz persönlichen Schicksal und Erleben gekoppelt und nur teilweise durch meine bündische Herkunft bedingt waren.

Ich bin 1914 geboren, wuchs in einem politisch liberalen Elternhaus auf, war von 1927-1933 Mitglied der Deutschen Freischar, seit 1930 Führerin der Kieler Mädchengruppe.

Mein Vater, Volksschullehrer, sehr aufgeschlossen und bejahend gegenüber den Bestrebungen der Jugendbewegung, u.a. beeinflußt durch einen befreundeten Kollegen, der Wandervogel war und im 1. Weltkrieg fiel, und durch Bücher von Avenarius und vom Dürerbund. Durch meinen Vater erfuhr ich Anfang der 30er Jahre etwas über den Nationalsozialismus, dessen Versammlungen er mit großem Interesse besuchte, bis er sich ganz plötzlich davon distanzierte, als in den Versammlungen offen kundgetan wurde, daß man die Juden ausrotten wollte. Damit war für ihn die nationalsozialistische Bewegung, die ihn im Anfang sehr faszinierte, erledigt. U. a. spielte bei ihm dabei die Erinnerung an 2 jüdische Kriegskameraden (ein Arzt und ein Rechtsanwalt), mit denen er zusammen im 1. Weltkrieg in Rußland war, und vor denen er eine erhebliche menschliche Hochachtung hatte, eine wesentliche Rolle.

Trotzdem war mein Väter mir gegenüber sehr tolerant, als ich 1933 nach Auflösung der Bünde mit meiner Gruppe in den BdM eintrat, weil ich hoffte, dadurch unser Gruppenleben zu retten, was auch für die Dauer von 1½ Jahren, solange man die "Bündischen" als Führer brauchte, möglich war. Da die Kieler Führerin der "Freischar junger Nation" inzwischen Untergauführerin im BdM geworden war und ihre Hand schützend über uns hielt, konnten wir sogar 2 Großfahrten nach Ostpreußen und nach Finnland durchführen.

Dann kam es zur systematischen Zerstörung allen bündischen Gruppenlebens. Unsere Gruppen wurden aufgeteilt, und es wurde die Einheitsschulung befohlen, so daß ich trotz des Angebotes, hauptamtlich Untergauführerin zu werden, keine Möglichkeit mehr für eine sinnvolle Gruppenarbeit sah. Vermutlich habe ich mich dadurch verdächtig gemacht, daß ich im Herbst 1934 aus dem BdM austrat ohne irgendeiner anderen Organisation beizutreten. Als ich mich 1936 brieflich mit einigen mit mir befreundeten ehemaligen Freischarführerinnen des Gaues zu einem Pfingsttreffen verabredete mußte ich feststellen, daß die Geheime Staatspolizei meine Briefe kontrollierte und mich verdächtigte, staatsfeindliche Ziele zu verfolgen.

Ich wurde von der Gestapo vorgeladen und verhört. Mir konnte nichts Staatsfeindliches nachgewiesen werden. Bei einer anderen ehemaligen Freischar-Führerin fand in diesem Zusammenhang eine Haussuchung statt.

Inzwischen (1934) lief gegen meinen Vater ein Disziplinarverfahren wegen einer kritischen Äußerung über eine Rede von Göbbels. 2 Kollegen hatten ihn deswegen denunziert. Ein ehemaliger Kollege (alter Parteigenosse), der jetzt in der Regierung saß, rettete ihn vor der Entlassung aus dem Dienst.

Als Studentin (Medizin) war ich verpflichtet, an der politischen Schulung der Universität teilzunehmen. Die Schulungsrednerin sagte ganz offen, daß wir Deutschen uns als "Volk ohne Raum" nach Osten ausdehnen müßten. So wurden wir schon 1934 mit deutlicher Sprache auf den lange geplanten Angriffskrieg gen Osten vorbereitet.

1936 begegnete ich an der Universität Leuten vom damals noch freiwilligen studentischen Landdienst. Sie sahen es als ihre Aufgabe an, den Bauern an der Ostgrenze in den Semesterferien bei der Ernte zu helfen. Diese Aufgabe erschien mir so sinnvoll, daß ich mich entschloß, mich dafür einzusetzen. Ich wurde dann in Greifswald während meiner beiden letzten Semester Landdienstreferentin für das Einsatzgebiet Pommern. Um dieses Amt zu übernehmen, mußte ich Mitglied des NS-Studentenbundes werden. Trotz innerer Widerstände schluckte ich diese Bedingung für 2 Semester.

Einen Höhepunkt erlebte ich 1937 bei einer Tagung aller Landdienstreferenten in Storkow bei Berlin, die unter der Leitung von Gerhard Wurzbacher stand und für mich sehr beglückend war durch das Treffen mit vielen ehemaligen Bündischen und durch eine sehr lebendige positive Arbeit wie in früheren Zeiten. Als ich nach dem Krieg Wurzbachers im Freideutschen Kreis wieder begegnete, erzählte mir Frau Wurzbacher, man hätte ihren Mann bald nach dieser Tagung wegen "bündischer Umtriebe“ kaltgestellt. Die Idee des Landdienstes wurde bald daraufhin verwässert, nachdem der Landdienst für alle Studenten zur Pflicht gemacht wurde. Statt der menschlichen Verbindungen zu den z. T. sehr armen Bauern blieb das abendliche Herumsitzen der gezwungenen Studenten in den Kneipen.

Nach meinem medizinischen Staatsexamen (1938) sah ich für mich keine Möglichkeit mehr, in irgendeiner Organisation des Nationalsozialismus mit gutem Gewissen tätig zu werden. Ich erlebte damals (1939 vor Ausbruch des Krieges), wie ein KZ-Häftling zur Aufnahme auf unsere septische Station in der Chirurgischen Klinik in Greifswald kam. Ich werde nie vergessen, wie stark mich und meine jungen Kollegen dieser anscheinend gefolterte Mensch beeindruckte. Er war fast zum Skelett abgemagert, und die Augen hatten den Ausdruck eines geschlagenen Hundes. Diesen Augenausdruck erlebte ich in den letzten Kriegstagen bei deutschen Soldaten, die aus russischer Gefangenschaft geflüchtet waren und für einige Wochen in unserem Krankenhaus in Nordhausen Aufnahme fanden. Der Augenausdruck war erst nach Wochen wieder normal.

Soweit meine persönliche Begegnung mit dem Nationalsozialismus. Ich möchte diesen Bericht nicht abschließen, ohne 2er Persönlichkeiten zu gedenken, die mir geholfen haben, mich immer meinem Gewissen entsprechend verhalten zu können: Mein Vater ermöglichte mir meine gewünschte Berufsausbildung, indem er Nebenbeschäftigung aufnahm, um mein Studium zu finanzieren. Da ich nicht Mitglied der NSDAP war, wurde mein Antrag auf Gebührenermäßigung trotz guter Fleißzeugnisse abgelehnt. Zum anderen gebührt meiner Gauführerin in der Deutschen Freischar, Else Jacobs, besonderer Dank. Sie lehrte es uns, immer kritisch und menschlich anständig zu bleiben.

 

 

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